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Revolverhelden in Tombstone, Hippies in Bisbee, Mexikaner in Douglas und wir verstehen Bahnhof

30 Sekunden − Von Benson ist es nicht weit bis nach Tombstone im Süden Arizonas. Gegründet wurde die Stadt vom Geologen Ed Schieffelin, welcher hier auf eine Silbermine stiess. Schieffelin nannte die Mine «Tombstone» (Grabstein). Ein ironischer Seitenhieb an jene Leute, die ihm vorausgesagt haben, dass er in diesem Tal nichts ausser seinen eigenen Grabstein finden würde.

Weitere Silberadern wurden gefunden. Da ihre Entdecker nicht über die nötigen Mittel verfügten, die Adern vollständig auszubeuten, waren sie gezwungen, ihre Anteile an Geschäftsleute aus New York und Pennsylvania zu verkaufen. So entstanden Anfang 1879 drei grosse Minengesellschaften, denen alle Anteile gehörten. Im gleichen Jahr wurde die aus Bretterbuden und Zelten bestehende Stadt Tombstone offiziell gegründet. Getrieben von der Hoffnung auf Reichtum, strömten die Menschen aus dem ganzen Land nach Tombstone. Es versammelten sich Goldsucher, Banker, Anwälte, Händler aber auch Banditen. Die Einwohnerzahl stieg stetig, 1881 lag sie bereits bei 15’000. Anstatt Bretterbuden gab es nun solide Bauwerke aus Stein. Schulen und Kirchen wurden errichtet, aber auch zahlreiche Saloons und Tanzhallen. Die Minenwirtschaft fand 1886 ein abruptes Ende, als man 500 Meter unter der Erdoberfläche auf Grundwasser stiess und die Minen überflutet wurden.

Nachhaltig berühmt wurde Tombstone vor allem wegen der Schiesserei am O.K. Corral vom 26. Oktober 1881. Innerhalb von 30 Sekunden fielen etwa gleichviele Schüsse. An der Schiesserei waren insgesamt acht Personen beteiligt: Wyatt Earp, Morgan Earp, Virgil Earp und Doc Holliday kämpften gegen Frank McLaury, Tom McLaury, Billy Claiborne, Ike Clanton und Billy Clanton. Billy Claiborne befand sich nur zufällig vor Ort und geriet als Unbeteiligter in die Auseinandersetzung hinein. Beide McLaurys und Billy Clanton wurden getötet. Zwischen den beiden Gruppierungen (Earp/Holliday und McLaury/Clanton) gab immer wieder Zwischenfälle und Verfeindungen. Entsprechend schwer ist es, den genauen Auslöser und Ablauf der Schiesserei auszumachen.

Als wir im Visitor Center mehr über die Hintergründe dieser Tat erfahren möchten, werden wir ziemlich barsch zurecht gewiesen: «Alle fragen nach der Schiesserei. Diese dauerte jedoch lediglich ein paar Sekunden. Die Geschichte des Ortes hat aber viel mehr zu bieten». Überrascht über die unerwartete Reaktion verlassen wir das Visitor Center. Zwar wissen wir noch immer nicht, wie die Schiesserei begann, aber wir wissen zumindest, dass es eh belanglos ist...

Wir laufen die mit historischen Fassaden gesäumte Hauptstrasse entlang. Alte Fässer, Wagen und Pferdekutschen sollen das Flair einer alten Westernstadt aufkommen lassen. Männer in Cowboy-Kluft und umgehängten Revolvern machen Jagd auf Touristen und versuchen die Leute ins Helldorado zu locken. Auch wir nehmen Platz auf der Tribüne und verfolgen die Revolver- und Stuntshow. Das Publikum grölt, wir bleiben stumm. Unsere Englischkenntnisse scheinen hier nicht auszureichen.

 

Am Limit − In Bisbee, etwas weiter südlich von Tombstone, erleben wir gleich den nächsten Dämpfer in Sachen englische Verständigung. Wir nehmen an einer Besichtigung der Queen Mine teil und verstehen von den Erklärungen unseres Führers, einem ehemaligen Minenarbeiter mexikanischer Abstammung, wenig bis gar nichts. Trotzdem ist die Tour in die Unterwelt der Kupfermine interessant und eindrücklich. Eingepackt in gelbe Gummimäntel und ausgerüstet mit Helm und Minenlampen erkunden wir teils zu Fuss und teils auf einer alten Minenbahn das unterirdische Labyrinth und legen an den Bohrmaschinen Hand an :-).

Im Gegensatz zur kurzen Periode des Silberabbaus in Tombstone hielt der Kupferboom in Bisbee fast ein ganzes Jahrhundert an. Die Minen wurden erst 1975 geschlossen, nachdem sie Edelmetalle im Wert von über sechs Milliarden hervorgebracht haben. Berüchtigt war auch Bisbee’s gnadenloses Verfahren mit streikenden Mitarbeitern. 1917 wurden über 1000 Männer in Güterwagen verfrachtet und in der Wüste New Mexicos ausgesetzt.

 

LSD − Heute wird Bisbee hauptsächlich von Künstlern, Hippies und Rentnern belebt. In den viktorianischen Häusern findet man entsprechend viele Antiquitätenläden, Gallerien, Bücherläden und Cafés. Uns gefällt die etwas schräge Atmosphäre dieser Stadt. Im Gegensatz zu Tombstone wirkt hier alles echt. Auf unserem Rundgang durch die Stadt kommen wir an witzig dekorierten Hausfassaden vorbei und begegnen ein paar schrägen Vögeln. Von einem erhalten wir eine etwas ungewohnte Reaktion auf unsere Herkunft. Brachten bisher alle Leute die Schweiz mit Bergen, Schokolade, Käse oder Banken in Verbindung, meint dieser Mann: «Wow, von dort kommt LSD her». Nun, so lernt man Neues aus seinem Heimatland ;-)

 

Hund, Katze, Maus − Ein weiteres Stadtoriginal ist Greg Pike, bekannt als der «dog-cat-mouse guy». Er türmt seinen Hund Booger, seine Katze Kitty und ein paar Mäuse mit dem Einheitsnamen Mousi in Bremer Stadtmusikantenmanier aufeinander und legt einen Hut für Spenden daneben. 2006 wird er von der örtlichen Polizei wegen Bettelns und dem Betreiben eines Geschäfts ohne Lizenz verhaftet. Die Einwohner von Bisbee sammeln innerhalb weniger Stunden genug Geld, um seine Kaution zu bezahlen. Pike wird frei- und die Anklage fallengelassen. Trotzdem fühlt sich Pike ungerecht behandelt. Er sieht sich weder als Bettler noch als Geschäftsmann. Er sei lediglich ein Künstler. Er bettle nicht, aber möchte ihm jemand für ein Foto mit seinen Tieren etwas geben, akzeptiere er dies natürlich...

Wir verlassen Bisbee in süd-östlicher Richtung und kommen dabei an den aufgegebenen Kupferminen vorbei. Die umgegrabene Erde ist terassenförmig um eine riesige Grube angelegt. Dabei kommen von gelb über rosa und türkis die unterschiedlichsten Farben zum Vorschein.

 

Habla español? − In Douglas erreichen wir die amerikanisch-mexikanische Grenze. Laut unserem Reiseführer kommen hier am meisten illegale Einwanderer über die Grenze. Die Grenzbeamten nehmen pro Stunde ungefähr 100 Immigranten fest. Diese Zahlen überzeugen uns trotz Dunkelheit weiterzufahren. Wir finden bestimmt einen gemütlicheren Übernachtungsplatz. Doch wie kommen wir überhaupt wieder aus dieser Stadt raus? Ein langer Zaun schneidet alle Wege Richtung Süden, sprich Mexiko, ab. Und die restlichen Strassen scheinen uns im Kreis herumzuführen. Auf die in englisch gestellte Frage nach dem richtigen Weg bekommen wir bloss Kopfschütteln zur Antwort. Man versteht uns nicht. Spanisch scheint hier bereits Standardsprache zu sein.